Herr Innerbichler, warum sind Bauen und Wohnen in Südtirol so teuer?

Stärkstes Motiv für die hohen Kosten ist die Knappheit von nutzbarem Grund und Boden in unserem Land. Hinzukommt ein engmaschiges Raumordnungsgesetz, welches lediglich sechs Prozent der Gesamtfläche unseres Landes als bebaubar einstuft. Nachdem wir aufgrund der Knappheit auch dort bauen müssen, wo die die Natur sich widrig zeigt, sind viele Bauvorhaben mit hohen Baukostenabgaben verbunden. Auch gesetzliche Vorgaben, wie das Klimahauszertifikat oder die Verpflichtung zur Garagen-oder Parkfläche für jede Wohnung, unabhängig davon, ob die Eigentümer ein Auto besitzen oder nicht, bedingen relevante Zusatzkosten. Nicht zu vergessen sind die hohen Ansprüche der Südtiroler Bauherr*innen, wobei ich auch unterstreiche, dass in der Qualität des Bauens und Wohnens keine Abstriche gemacht werden sollten.

Was ist mit der Wohnbauförderung, die das Land gewährt?

Die Wohnbauförderung und die Regelung rund um die sogenannte Konventionierung von Eigentumswohnungen und –häusern sind wichtige Instrumente in der Wohnbaupolitik unseres Landes. Allerdings erlaube ich mir die Aussage, dass beide Anwendungen etwas überholt und in jedem Fall zu starr sind. Die Bedürfnisse der jungen Generation finden hier zu wenig Berücksichtigung. Was es braucht, sind flexiblere und durchlässigere Regelungen, die auch eine gewisse Flexibilität ermöglichen. Die heutige Wohnbaupolitik geht noch davon aus, dass eine Familie ein Haus baut oder eine Wohnung kauft, um dann bis an ihr Lebensende dort zu bleiben. Doch dies entspricht längst nicht mehr den gesellschaftlichen Trends von Mobilität sowie einem mehrfach wechselndem Lebens-und Arbeitsumfeld.

Aktuell läuft die Diskussion um das leistbare Wohnen in Südtirol auf Hochtouren, und es gibt eine Reihe von Vorschlägen und politischen Ideen rund um dieses Thema. Was sagen Sie dazu?

Sowohl das Südtiroler Baukollegium als auch politische Parteien haben das Thema aufgegriffen und streben neue Lösungen an. Das ist grundsätzlich gut! Es liegt an der Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit innovative Lösungen umgesetzt werden können, von denen die Menschen in unserem Land dann auch profitieren. Es braucht Weitsicht und den Mut, innovative Modelle einzuführen. Bisher hat die Politik sehr kurzfristig gedacht und agiert und das Gesetz rund um die Wohnbauförderung gleicht in weiten Teilen einem wenig visionären Flickenteppich. Wie gesagt, die Politik schafft die Rahmenbedingungen, umsetzen wird dann die Wirtschaft.

Sie sprechen von Vision und Weitsicht in der Wohnbaupolitik. Welche Ansätze sind Ihrer Meinung nach zu verfolgen?

Wie schon gesagt, ich bin nicht der Meinung, dass wir in der Bau-oder Wohnqualität Abstriche machen sollen oder müssen, damit das Wohnen leistbarer wird, vielmehr schlage ich vor:

  1. Umzudenken und unsere gängige Definition von Eigentumswohnung oder –haus neu zu denken.
  2. Neue Finanzierungsmodelle aufzustellen. Es kann nicht sein, dass die Banken nach wie vor die einzigen Finanzierungsquellen sind. Hier gibt es längst Alternativen, die genutzt werden könnten und sollten, aber dafür sind die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.
  3. Reduzierung der teuren Wohnfläche, während gleichzeitig die Wohnqualität maximiert wird. Das geht, indem ich moderne Einrichtungsmöglichkeiten nutze und auf neueste Trends aus der Gebäudetechnik und der Digitalisierung einbaue. Der verkleinerte Wohnraum geht dann nicht zulasten der Wohnqualität und jede Familie kann ihre Wohnung oder ihr Haus mit allen Raffinessen der Technik ausstatten, wenn sie das möchte.
  4. Systembauweise: Individuelle Lösungen sind teuer, ein System ermöglicht eine Reduzierung der Kosten und der Bauzeit, letzteres wiederum zugunsten der Brieftasche.

Abschließend noch die Frage, Herr Innerbichler: Warum liegt Ihnen das Thema des leistbaren Wohnens so am Herzen?

Bauen und Gestalten zählen zu meinen Leidenschaften. Ich beobachte Trends und gesellschaftliche Entwicklungen aufmerksam und stelle seit geraumer Zeit fest, dass sich in den uns nachfolgenden Generationen ein Wandel und ein Umdenken vollzieht. Die jungen Menschen wollen sich nicht auf ewig an irgendwelche Vierwände binden und schon gar nicht über Jahrzehnte hinaus verschulden, für ihr Eigenheim schuften, sparen und auf alles andere verzichten. Diesen Entwicklungen müssen wir Rechnung tragen.

Die aktuellen Miet-und Kaufpreise in Südtirol sind teilweise regelrecht „asozial“ und speziell Niedrigverdiener kommen allein durch die hohen Wohnkosten finanziell massiv unter Druck. Aufgrund zu hoher Wohnkosten sind Menschen oft gezwungen, ihren bevorzugten Wohnort zu verlassen und um dann jeden Tag über längere Strecken zur Arbeit oder zur Ausbildungsstätte zu pendeln. In Zeiten von Umwelt- und Klimadiskussionen sollten wir auch diesen Faktor nicht unberücksichtigt lassen.

Ich bin seit 40 Jahren Unternehmer, und befürworte eine starke (Bau)Wirtschaft, aber dass das Wohnen heute in ganz Europa ein kaum leistbares Unterfangen für die einen und ein „Big Business“ für die anderen ist, ist keine gute Entwicklung, finde ich.